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Nahrungsmittel müssen wieder wertgeschätzt werden: Viehzucht wie zu Omas Zeiten

Nahrungsmittel müssen wieder wertgeschätzt werden : Viehzucht wie zu Omas Zeiten

Die Bundesregierung will für mehr Tierwohl und gesunde Ernährung sorgen. Cem Özdemir, Bundesminister für Landwirtschaft, möchte weg von Lebensmitteln zu Ramschpreisen und hin zur Wertschätzung von Nahrungsmittel. Wir haben uns bei zwei Bauernhöfen in Erkrath und Heiligenhaus umgehört, wie artgerechte Haltung von so genannten Nutztieren aussehen könnte.

Zugegeben, die Höfe, die wir besucht haben, gehören zu den Idealisten unter den Landwirten. Nur wenige Rinder werden dort gehalten (zwischen 17 und 35 Kühen plus ein paar Kälbern) und der Bauer hat zusätzliche eine zweite Erwerbsquelle, um auch seinen Kühlschrank vollzukriegen. Dennoch zeigt es eine Haltungsform, die den Bedürfnissen der Tiere so gerecht wie möglich wird und die in Teilen auch bei der so genannten Massentierhaltung adaptiert werden könnte. Vorausgesetzt man verfügt über ausreichend Platz und die nötigen finanziellen Mittel, um seinen Betrieb entsprechend umzubauen. Über letzteren Punkt wird auf Bundesebene noch diskutiert - von Erhöhung der Mehrwertsteuer bis hin zu Tierwohlabgabe oder einer Zuckersteuer steht einiges im Raum. Doch zurück zu unseren beiden heimischen Bauern. Unser erster Besuch führt uns zu Landwirt Willibald Kühn aus Heiligenhaus. Er hat 1981 den Hof übernommen. Seine Eltern hatten vor 40 Jahren noch Milchkühe, doch die gibt es bedingt durch die extrem niedrigen Milchpreise nicht mehr. Heute kümmert sich Willibald Kühn um 17 Kühe, einen Bullen und ein paar Kälber. Sie gehören zum Deutschen Gelbvieh und sind somit so genannte reine „Fleischrinder“.

„Den Winter über stehen sie bei mir in Laufställen, die mit Stroh ausgelegt sind und in denen sie genug Platz zur freien Bewegung haben“, erklärt uns Landwirt Kühn. Ab April - sobald es die Witterung zulässt - stehen seine Rinder draußen auf der Weide. Das Futter - sowohl Rau- wie auch Kraftfutter - stammt aus eigener Herstellung. „Nach etwa zwei Jahren sind sie schlachtreif und werden dann zum Metzger Kluke in Mettmann - einer der wenigen Metzger, die noch selber schlachten, gebracht.“ In der Regel ist das eine Kuh, die ihre letzte Reise antritt und nicht 60 Kühe oder mehr, die dann dicht gedrängt in tagelangen Massentransporten von A nach B verfrachtet werden. „Der Transport von Heiligenhaus bis nach Mettmann dauert nur rund 20 Minuten“, sagt Willibald Kühn. Die Rinderhälften werden dann bei Dirk Hanten, seines Zeichens Metzgermeister aus Erkrath, weiter zu Steaks, Filets, Gulasch oder anderen Lebensmitteln verarbeitet. „Wichtig ist mir, dass wir fast alles vom Rind verarbeiten und so wenig wie möglich weggeschmissen wird“, sagt uns Dirk Hanten. Der Metzger aus Erkrath legt großen Wert auf Produkte aus der eigenen Region und bietet diese, neben anderen Waren wie beispielsweise Wurst, Geflügel oder Schweinefleisch in seiner gut gefüllten Theke an. „Natürlich ist das Fleisch aus der Region etwas teurer, aber dafür kannte ich die Kuh quasi persönlich und auch den Bauern, bei dem sie aufwuchs.“ Hier kann man wahrhaftig von einer lückenlosen Herkunftskette sprechen. Ganz so wie noch zu Großmutters Zeiten. Wo wir auch gleich beim Knackpunkt solcher kleinen Bauernhöfe sind.

 Bauer Willibald Kühn und sein Zuchtbulle Ramazotti.
Bauer Willibald Kühn und sein Zuchtbulle Ramazotti. Foto: nic
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„Wir haben nämlich leider nicht mehr so viele Landwirte in Deutschland, die alle Menschen in der Bundesrepublik ernähren könnten“, sind sich beide Männer einig. Außerdem leben wir mittlerweile in einer Gesellschaft, in der immer alles ausreichend vorhanden ist. „Ausverkauft“ akzeptiert heute kaum noch ein Verbraucher. Die meisten Menschen möchten immer und fast täglich Fleisch, in welcher Form auch immer, und Milchprodukte auf ihrem Esstisch haben. Und billig soll es natürlich auch sein. Aber ist so ein Konsumverhalten mit Tierwohl überhaupt noch vereinbar? Wohl kaum und deshalb mussten in den letzten Jahrzehnten immer mehr Kleinbauern aufgeben, weil sie dem Preiskampf und der Nachfrage nicht standhalten konnten. Massentierhaltungen von wenigen riesigen Betrieben sind das Ergebnis unserer stetig steigenden Bevölkerungszahl und der scheinbar kaum zu stillenden „Fleischeslust“.

Der Erkrather Landwirt Hansi Keens, der seit 14 Jahren den elterlichen Betrieb in der vierten Generation führt, kann davon ein Liedchen singen. „Bis März 2021 hatten wir noch Milchkühe in unserem Stall stehen, doch der stetige Preisdruck hat uns zum Aufgeben gezwungen. Heute halte ich noch 35 Rinder plus einige Kälber quasi als Hobby, denn wirklich leben kann ich von so einem kleinen Bestand nicht“, sagt er. Sein Geld verdient der junge Landwirt in erster Linie mit einem Pensionsbetrieb für Pferde. Dirk Hanten bezieht auch von diesem Hof sein Rindfleisch. Auch hier stehen die Tiere in mit Stroh eingestreuten Laufställen, werden mit Futter aus eigener Produktion versorgt und dürfen in den Sommermonaten auf die Weide. Wie würde aus Hansi Keens Sicht der Idealzustand der heutigen Landwirtschaft aussehen?

„Vernüftige Preise für die Produktion von Lebensmitteln ohne Agrarsubventionen“, bringt er es auf den Punkt. Heute beeinflussen Politik und die großen Discounter die Preise und kontrollieren damit die Landwirte. Damit sich quasi jeder - egal welcher Gehaltsklasse er angehört - Fleisch an jedem Tag auf den Teller schaufeln kann, muss es billig sein. Doch wäre es nicht für alle Beteiligten gesünder, wenn wir weniger Fleisch und Milchprodukte zu uns nehmen würden und dafür stärker auf Qualität achten und diese auch entsprechend bezahlen würden? Vermutlich - und es wäre auch am Ende günstiger, wenn man das Steak aus der eigenen Region in die Pfanne hauen würde, statt zu dem Produkt zu greifen, dass mit viel Aufwand, finanziellen Mitteln und Tierqual aus dem Ausland oder dem anderen Ende Deutschlands in der Theke landet. Denken Sie mal darüber nach...

(nic)