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Ist das Studium die Rettung?

Ist das Studium die Rettung?

Die Geburtenrate in Deutschland steigt und das ist toll. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2015 737.575 Kinder in Deutschland zur Welt gebracht. 2016 waren es schon 792.131, Tendenz steigend.

(nic) Überstunden, schlechte Bezahlung, steigende Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen und mangelnde Anerkennung - das sind zusammen gefasst die Hauptargumente gegen eine mögliche Entscheidung für eine Hebammen-Ausbildung. Dennoch gibt es immer noch Frauen, die sich für diesen Beruf entscheiden, der naturgemäß auch viele schöne Seiten hat. Wir sprachen mit Ursula Müther (52 Jahre), leitende Hebamme im St. Josefs Krankenhaus Hilden und Claudia Brieske (37), ebenfalls leitende Hebamme im Evangelischen Krankenhaus Mettmann (EVK). Beide begrüßen die aktuelle Reform der Hebammenausbildung, diese ab 2020 nur noch als Studiengang anzubieten.

"Damit gleichen wir uns an den längst gängigen EU-Standard an und ermöglichen den Hebammen unter anderem auch, dass sie zukünftig im Ausland arbeiten dürfen", sagt Ursula Müther. Auch das wissenschaftliche Arbeiten und die damit höhere Anerkennung sieht sie als weitere Pluspunkte. "Der Nachteil ist, dass die Studienzeit nicht vergütet wird und für mich auch noch nicht klar ist, ob die späteren Absolventen auch tatsächlich mehr verdienen werden." Heute bekommt eine fest angestellte Hebamme 2700 Euro brutto im Monat. "Das ist viel zu wenig." Auch sind die Ansprüche der werdenden Mütter im Laufe der Jahre gestiegen. Das Gesundheitswesen, die Gesellschaft und tatsächlich auch die Gesundheit der Frauen sind anders geworden. So bekommen Frauen heute deutlich später Kinder und häufiger Mehrlinge. Das bedeutet für eine Hebamme mehr Verantwortung, mehr Arbeit und ständige Weiterbildung.

Das kann ihre Kollegin Claudia Brieske bestätigen. Sie kennt beide Seiten, denn sie war vor ihrer Festanstellung im Mettmanner Krankenhaus, als freiberufliche Geburtshelferin tätig. Ihre Ausbildung hat sie zwischen 2001 und 2004 an der Hebammen-Schule in Duisburg absolviert. Bis 2014 arbeitete sie als so genannte Beleg-Hebamme in der Selbstständigkeit. "Ich bin ausgestiegen, weil die Kosten und der Druck zu viel wurden." Gemeint sind damit die hohen Haftpflichtprämien. Lag die Haftpflichtversicherung für Hebammen, die Geburtshilfe leisten, im Jahr 2007 noch bei etwa 1600 Euro pro Jahr, kostet sie inzwischen 7639 Euro — also knapp fünfmal so viel.

Allerdings hat die Politik bereits darauf reagiert: Seit mehr als zwei Jahren gibt es den so genannten Sicherstellungszuschlag. Mit diesem Haftpflichtausgleich beteiligen sich die Krankenkassen an einem Großteil der Kosten für freiberufliche Hebammen. In Hilden wie auch in Mettmann ist die Geburtsstation mit jeweils drei beziehungsweise zwei Kreißsälen im Vergleich zu anderen großen Kliniken relativ klein. Der Vorteil: Die Frauen können hier während der Geburt fast 1:1 von den Hebammen betreut werden. Zwischen 450 und 500 Geburten kommen somit pro Jahr in Mettmann zusammen. Rund 600 sind es in Hilden. Die Situation, die es bereits in anderen Kliniken in der Region gegeben hat, nämlich das Geburtsstationen wegen Überlastung temporär schließen mussten und Frauen an der Pforte ablehnen mussten, gab es zum Glück in beiden Krankenhäusern noch nicht. Doch bei dem aktuellen Hebammenmangel, zu wenigen Kreißsälen und steigenden Geburtszahlen ist davor letztlich keine Klinik gefeit.

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Auch die zunehmende Zentralisierung der Kliniken ist der Problematik in der Geburtshilfe nicht gerade zuträglich. Denn schon jetzt müssen Schwangere aufgrund der oftmals überbelasteten Geburtsstationen längere Fahrtzeiten zur Entbindung in Kauf nehmen. Eine wohnortnahe Geburtshilfe ist dadurch nicht immer gegeben. Alle Hoffnung ruht also nun auf dem neu angelegten dualen Studiengang und der damit steigenden Attraktivität für den Beruf der Hebamme. "Allgemein gesprochen, müssen sich die Arbeitsbedingungen für die Hebammen verbessern, die Gehälter müssen steigen und damit auch eine höhere Anerkennung für den Beruf einhergehen", sind sich beide einig.

Mehr Infos
www.hebammen-nrw.de

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