Nachlese Highway Number Zero

Hochdahl · Kürzlich war es wieder so weit. Treppensteigen war angesagt, um in das Hochdahler Kleinod der Theaterkunst einzudringen. Dem Wohnzimmer-Theater von Beate Sarrazin, dem „Theater Anderswo“.

Beate Sarrazin in „Highway Number Zero“.

Beate Sarrazin in „Highway Number Zero“.

Foto: Timo Kremerius

Im Laufe der Jahre sieht man, wenn man an der Tür von Beate Sarrazin klingelt, liebevoll begrüßt wird und eintritt, immer viele bekannte, über die lange Zeit schon lieb gewonnene Gesichter. Man kommt gewöhnlich ein wenig früher, damit man noch genug Zeit für einen Gedankenaustausch und einem Small Talk hat.

Auch Neue und Neugierige sitzen gemeinsam gleich dabei in einem gemütlichen Zimmer und man fühlt sich jetzt schon wie unter Freunden. Die Zeit vorher vergeht so schnell, dass man erstaunt ist, wenn die Hausherrin mit ihrem Glöckchen die Besucher in den Theaterraum bittet. Bei der heutigen, sehr gut besuchten Veranstaltung mussten noch ein wenig Stühle gerückt werden, so dass jeder Besucher auch einen Platz fand. Aber auch das ging problemlos über die Bühne. Beate Sarrazin fokussierte die Blicke der Zuschauer auf ihre Person, gab noch ein paar Erläuterungen und Informationen, drückte den Go-Button und los ging es.

Beate Sarrazin spielte eine offensichtlich verwirrte Frau mit Tendenz zur Schizophrenie, die mit ihrem Hausstand, Regenschirm, einem verkleideten Affen als Stofftier, eine große, gut gefüllte Tüte, in der sie unentwegt nach bestimmten Sachen suchte und auch fand. Fantasievoll spielte sie Gruselgeschichten, blutrünstig, dafür fand sie einen dunkelroten Schal, traurige Geschichten, von gehetzten Menschen, die von Termin zu Termin jagen, sie fand einen großen Telefonhörer in ihrer Tüte, Mondgeschichten und vieles mehr. Sie spielte die ganze Klaviatur der Gefühle. Sie lachte, weinte, war verzweifelt, nachdenklich, ängstlich und alles eingebettet in eine Geschichte.

In der Vorankündigung sagte Beate Sarrazin, dass es sich bei den Geschichten der Frau wie bei Babuschka-Puppen verhält. In der Folgezeit des Wartens kamen der Dame dann doch das ein oder andere Déjà-vu. Zum Beispiel erinnerte sie sich an den „90ten Geburtstag oder Dinner for one“ und den tapsigen James. Allerdings erinnerte sie nicht mehr an den vierten Namen der imaginären Dinnergäste (Mr. Winterbottom). Aber das Publikum, wahrscheinlich treu TV-Seher des Silvester-Spektakels, half ihr dabei. In der Diskussion mit ihrem Affen weigerte sie sich auch den Schnaps aus der Blumenvase zu trinken. Viele Zuschauer erinnern sich.

So wartete die Unbekannte, abgeholt zu werden. Letztlich erhielt sie einen Anruf, der das Problem für den Zuschauer ansatzweise löste, aber offenließ, ob sie jemals abgeholt werden würde. Ein unterhaltsames, aber im Nachhinein sehr nachdenkliches Stück und Spiegelbild unserer Gefühlswelt.

Den zweiten Teil des Abends gestaltete der Erzählkünstler, Schauspieler und Musiker Klaus Grabenhorst mit einem facettenreichen Programm von Geschichten und Gedichten. Viel Wissenswertes und Historisches erzählte er spannend und unterhaltsam. Im Hintergrund spürte man die Kriegssorgen, im Vordergrund zeigte sich wie tief und gehaltvoll Freundschaften sein können.

Vorankündigung:
Am Samstag, den 6. Mai, 20 Uhr, wird im Theater Anderswo das Stück „Eine afrikanische Tragödie“ aufgeführt. Eine Geschichte um Liebe, Betrug und Eifersucht in den südafrikanischen Townships. Inszenierung und Spiel: Beate Sarrazin

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