Ganz langsam wird der Bogen gespannt

Erkrath · Wenn sich die Mitglieder des Vereins Kyudo-Neandertal samstagmorgens um 9 Uhr zum Training in der Halle treffen, bleibt der Alltag vor der Tür, ebenso die Schuhe.

 Während die einen das Ziel anvisieren, suchen die anderen in der Meditation die nötige Konzentration des Geistes.

Während die einen das Ziel anvisieren, suchen die anderen in der Meditation die nötige Konzentration des Geistes.

Foto: Nicole Gehring

(RG) Sie trainieren in traditioneller Kleidung, die aus dem Kaiko Gi (Trainingshemd), dem Hakama (Hosenrock), dem Obi (Gürtel) und den Tabi, der Fußbekleidung, besteht. Frauen tragen oft über dem Kaiko Gi die Muneate, einen Brustschutz. In ihrer überwiegend schwarz-weiß gehaltenen Trainingskleidung und mit ihren langsamen und in sich vertieften Bewegungen vor dem Schuss wirken die Schützen elegant. Kyudo gehört zur frühen japanischen Kriegskunst und wurde im 16. Jahrhundert durch Feuerwaffen abgelöst.

Die Trainingskleidung ist der Kleidung der Samurai nachempfunden. Zu Turnieren tragen die Schützen festlichere, farbige Kleidung. Der Griff des etwa 2,20 Meter langen Bogens befindet sich, anders als bei europäischen Bögen, nicht in der Mitte des Bogens, sondern im unteren Drittel. "Das mindert die Vibration bei Abschuss, hat aber auch geschichtliche Gründe. Geschossen wurde im Gefecht oft kniend, um den Gegner unterhalb der Rüstung zu treffen. Auch auf dem Pferd kam der Bogen zum Einsatz", erklärt Uta Scholten, die 2002 zu den Gründungsmitglieder des Kyudovereins Neandertal gehörte. In den höheren Prüfungen, die einmal jährlich ausschließlich von japanischen Lehrern in einem europäischen Land abgehalten werden, hat sie bereits den dritten Dan erreicht. Wer nicht auf die jährliche Prüfung, in der oft 700 oder 800 Schüler aus verschiedenen Ländern geprüft werden, warten will, muss nach Japan reisen. Auch Uta Scholten ist 2007 nach Japan geflogen. Kyudo heißt auf Deutsch 'der Weg des Bogens‘ und dieser japanische Bogen hat bis in die heutige Zeit einen besonderen Weg genommen.

Von der Kriegskunst kommend stehen in der Ausübung des Kyudo heute drei Begriffe im Mittelpunkt. 'Shin‘ ist der Ausdruck des technisch korrekten, von der richtigen Gesinnung erfüllten Schießens. 'Zen‘ steht für die Güte, als Ausdruck sozialer und moralischer Kompetenz und 'Bi‘ für Schönheit auch im Sinne von Ästhetik. Von all dem
war Reinhard Kollotzek 1988 von der ersten Berührung mit dem Kyudo-Sport fasziniert. Viermal in der Woche ist er nach Köln gefahren, um das japanische Bogenschießen zu erlernen und zu trainieren. "Das war aufwendig und so suchte ich nach einer Möglichkeit Kyudo im Kreis Mettmann zu trainieren" erinnert er sich.

Das war der Grundstein für den 2002 von ihm, Thomas Eberle und einigen Gleichgesinnten gegründeten Kyudoverein Neandertal. Kollotzek hat inzwischen den fünften Dan erreicht. Die höchsten Grade sind der neunte oder zehnte Dan, die eher 'Ehrenauszeichnungen‘ sind. Die höchste Lehrerprüfung, den achten Dan, können Europäer eher nicht erreichen, was erklärt, warum einmal jährlich japanische Lehrer nach Europa reisen, um die Dan-Prüfungen abzunehmen. Heute zählt der Kyudoverein
Neandertal etwa 30 Mitglieder. Während hin und wieder ein Mitglied alters- oder umzugsbedingt ausscheidet, kommen neue hinzu.

Manchmal als Mitglieder auf Zeit, wie japanische Austauschschüler und Studenten oder von japanischen Firmen entsandte Mitarbeiter. Der stellvertretende Vorsitzende, Matthias Bruch, gehört zur jüngeren Generation. Auch ihn hat die Liebe zum Kyudo erwischt und seinen Ehrgeiz geweckt. Einmal ist er für eine weitere Dan-Prüfung nach Japan gereist. "Das war zu früh. Da war ich zu ehrgeizig und hab es nicht geschafft", gesteht er. Aber die Reise nach Japan und die Erfahrung waren es für ihn dennoch wert. Die Zielscheibe, die der Schütze mit seinem Pfeil treffen muss, ist 28 Meter entfernt und misst nur 36 Zentimeter Durchmesser. Der Bogen hat keine Zielvorrichtung. Die Nocke des Pfeils wird auf die Sehne gesetzt während der Pfeil auf dem Daumen der Schießhand lagert.

Der Schütze trägt einen speziellen Schießhandschuh. Das ist auch die erste Anschaffung, wenn man sich entscheidet, dass Kyudo der richtige Sport ist. Davor
liegt oft eine mehrwöchige Schnupperphase. Bögen und Zubehör können in dieser
Zeit vom Verein genutzt werden.

Neugierig auf den Sport geworden, der die körperliche und geistige Haltung verbessert und eine meditative, entschleunigende Wirkung entfaltet, die das Bewusstsein und die Konzentration stärkt? Wenn Sie ein Training besuchen oder an einem Einsteiger-Seminar teilnehmen möchten, können Sie sich an Matthias Bruch, Telefon 0176/53832993; Email: matthias.bruch@kyudo-neandertal.de wenden.

Einmal im Jahr kann man die Schützen auch in Düsseldorf beim Japantag in Aktion erleben.

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