Wofür Frauen auch heute noch kämpfen

Erkrath · Am 8. März feiert die Welt den Internationalen Frauentag. Wir sprachen mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Erkrath, Annegret Pollmann, an welchen Stellen "Frau" noch kämpfen muss und wie unsere Stadt diesen Feiertag begeht.

Wofür Frauen auch heute noch kämpfen
Foto: Stadt Erkrath

von Nicole Palmieri

Frau Pollmann, nach wie vor verdienen Frauen in Deutschland weniger als Männer. Wo sollte man ansetzen, um diese Situation für die Frauen zu verbessern?
Annegret Pollmann: Das Entgelttransparenzgesetz zielt aus meiner Sicht in die richtige Richtung: Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, sollen anforderungsgerechter vergütet werden. Aber das Gesetz beinhaltet nur eine Aufforderung an die Arbeitgeber/innen, diese Entgeltgleichheit herzustellen. Insgesamt müssen die Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich, im sozialen Sektor, in den Krankenhäusern und im Pflegebereich genauso hoch bewertet werden, wie beispielsweise Arbeitsplätze im technischen Bereich, das heßt insgesamt eine deutliche finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung der sogenannten Frauenarbeitsplätze. Hier sind auch die Tarifvertragsparteien gefragt, neue Arbeitsbewertungen vorzunehmen, was angemessene Eingruppierungen betrifft. Die Quotenregelung nach dem Landesgleichstellungsgesetz von NRW, wonach gleich qualifizierte und geeignete Frauen bei Stellenbesetzungen vorgezogen werden, wenn es sich um einen unterrepräsentierten Bereich handelt (das heißt weniger als 50 Prozent Frauen) sollte weiter konsequent angewandt werden und weitere Bereiche des Privatsektors betreffen als nur börsenorientierte Unternehmen und große Aufsichtsräte.

Auch in punkto "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" müssen Frauen nach wie vor beruflich stark zurückstecken und viele landen in der so genannten Teilzeitfalle, wenn sie nach der Babypause wieder ins Berufsleben zurück finden möchten. In welchen Punkten muss da noch nachgebessert werden?
Ich wünsche mir und den vielen hervorragend ausgebildeten Müttern, dass sich weit mehr Väter als bisher dazu entscheiden, für einen längeren Zeitraum als die üblichen zwei Monate Elternzeit die Erziehungsarbeit wahrzunehmen, um ihren Partnerinnen die Chance zu geben, beruflich weiter voranzukommen. Die Wahrnehmung der jeweils hälftigen Elternzeit beider Elternteile mit entsprechendem Lohnausgleich wäre sicherlich optimal; ebenso denkbar wären kürzere, flexiblere und damit familienfreundlichere Arbeitszeiten für alle. Insgesamt sollte eine verlässliche und qualifizierte Kinderbetreuung deutlich verstärkt ausgebaut werden, auch in den sogenannten "Randzeiten" in den frühen Morgen- und in den Abendstunden, damit Mütter und Väter ganztags berufstätig sein können, beispielsweise ergänzende Kinderbetreuung im Haushalt der Familien. Es sollten mehr Homeoffice- Arbeitsplätze angeboten werden.

Manche Frauen entscheiden sich auch bewusst für die Familie und die Erziehung der Kinder. Ein Fulltime-Job ohne große Anerkennung seitens des Staates und der Gesellschaft. Wie kann man hier die Situation der Mütter verbessern — auch mit Hinblick auf die spätere Rente?
Die Erziehungszeiten müssten bei der Rente wesentlich höher angerechnet werden und vielleicht könnte ein gut differenziertes Modell einer "Grundrente" für alle der Schritt in die richtige Richtung sein, um nicht erwerbstätige Mütter, aber auch Frauen, die aufgrund von familienbedingter Teilzeitarbeit oder Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit später eine viel zu niedrige Rente erhalten, im Alter angemessen abzusichern. Denn immer noch trifft die Altersarmut bei Frauen zu und es gilt leider immer noch der Grundsatz: Frauen leben länger, aber wovon?

Warum ist der Schwangerschaftsabbruch immer noch so ein großes Tabu-Thema und mit so vielen Stigmata behaftet? Jede Frau sollte doch selbst über ihren Körper bestimmen können, oder?
Dies ist ein sehr komplexes Thema und lässt sich schwierig in wenigen Sätzen beantworten. Als Gleichstellungsbeauftragte bin ich sehr enttäuscht über den soeben im Bundestag erzielten Kompromiss zum § 219a , denn er bedeutet weder für die betroffenen Frauen, noch für die Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, einen Fortschritt. Fachliche Informationen über die Methoden und Risiken bei diesem eventuellen Eingriff müssen sich die Frauen in dieser eh schon schwierigen Situation an anderer Stelle holen. Dies ist von tatsächlicher Selbstbestimmung der Frau weit entfernt, selbst über eine mögliche Mutterschaft zu entscheiden. Nach § 218 sind Schwangerschaftsabbrüche im Unterschied zu vielen anderen westeuropäischen Ländern weiterhin rechtswidrig und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern bedeutet auch, dass Frauen endlich über ihren Körper selbst bestimmen können; hier besteht noch großer Nachholbedarf in Deutschland. Ich bin davon überzeugt und viele Studien beweisen dies, dass es sich keine Frau leicht macht und den Schritt eines möglichen Abbruches sehr gut überlegt, weshalb ich es gut finden würde, wenn der § 219a gestrichen worden wäre und wenn es auch in Deutschland eine straffreie Fristenlösung geben könnte.

Welchen Themen widmet sich die Gleichstellungsstelle der Stadt Erkrath in diesem Jahr zum Weltfrauen-Tag?
Zum diesjährigen Internationalen Frauentag veranstalte ich am 13. März um 19.30 Uhr im Frankenheim Saal des Kaiserhofes, Bahnstraße 4 in Erkrath in Kooperation mit der Stadtbücherei Erkrath eine Lesung mit der Rechtsanwältin Nizaqete Bislimi, die aus ihrem Buch "Durch die Wand" von ihrer außergewöhnlichen Biografie als ehemalige Asylsuchende bis zur erfolgreichen Rechtsanwältin berichten wird. Die erste stellvertretende Bürgermeisterin Regina Wedding wird den Frauentag eröffnen.
Vielen Dank für das Interview.

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