Appell an die Vernunft

Erkrath · Die Bürgerinitiativen Alt-Erkrath und BiuM (Bürgerinitiative für umweltfreundlichen Mobilfunk) sind in großer Sorge: Geht es nach CDU, FDP und SPD soll das hart erkämpfte Mobilfunkkonzept der Stadt in der morgigen Ratssitzung zu Grabe getragen werden.

 Dr. Günter Berg und Roswitha Müller-Krüger stehen stellvertretend für Erkrather Bürgerinitiativen, die sich für das Mobilfunkkonzept einsetzen.

Dr. Günter Berg und Roswitha Müller-Krüger stehen stellvertretend für Erkrather Bürgerinitiativen, die sich für das Mobilfunkkonzept einsetzen.

Foto: nic

(nic) Es ist ein dringender Appell an die Vernunft und den gesunden Menschenverstand: "Wenn das Mobilfunkkonzept tatsächlich ad acta gelegt wird, sind wir jeglicher Handlungshoheit gegenüber den Mobilfunkbetreibern beraubt", sagt Dr. Günter Berg von der Bürgerinitiative Erkrath. Denn nur mittels des 2007 erarbeiteten und 2011 aktualisierten Mobilfunkkonzeptes ist es der Erkrather Gemeinde möglich, Einflussnahme bei der Standortwahl von Mobilfunkmasten zu nehmen. "Wir dürfen diese Entscheidungsgewalt nicht ausschließlich in die Hände der Mobilfunkbetreiber legen. Die gesundheitlichen Aspekte sind zu gravierend und zu sensibel, dass sie, Zitat aus den Reihen der CDU und FDP, 'dem freien Spiel der Kräfte' überlassen werden können."

Zwar seien sich die Mitglieder der Bürgerinitiativen durchaus darüber bewusst, dass die Ergebnisse weltweiter Studien zur gesundheitsschädlichen Mobilfunkstrahlung ungefähr pari-pari, also sowohl in die eine als auch in die andere Richtung ausschlagen, dennoch gebe es letztlich keine endgültige fundierte Erkenntnis über das Ausmaß der Gesundheitsschädigung. "Unsere Bitte an die Fraktionen ist, das Konzept zu überprüfen und wenn nötig, den heutigen funktechnischen Erfordernissen und gesundheitlichen Belangen anzupassen", so Berg weiter. Um ihrem Appell noch mehr Nachdruck zu verleihen, haben die Initiativen im Internet eine so genannte "open petition" gestartet und innerhalb von fünf Tagen 89 Unterschriften online und 25 weitere handschriftlich zum Erhalt des Mobilfunknetzes gesammelt. "Diese kann weiter unterzeichnet werden", so Roswitha Müller-Krüger, die Dr. Günter Berg und die Initiativen unterstützt. Das Mobilfunkkonzept hat in der Vergangenheit, laut den Initiativen, verhindert, dass Erkrath flächendeckend mit Mobilfunkmasten zugepflastert wird. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen Mobilfunk, aber bitte nicht auf Kosten der Gesundheit der Bürger dieser Stadt."

Weitere Infos
Das Mobilfunkkonzept kann auf der Webseite der Stadt Erkrath eingesehen werden. Die Petition kann auf www.openpetition.de unterschrieben werden. Die morgige Ratssitzung findet um 17 Uhr in der Stadthalle Erkrath statt.

Das sagt die CDU zum Thema:
"Mit dem Handy jederzeit und störungsfrei telefonieren zu können — eigentlich eine Selbstverständlichkeit heute. Nicht so in Erkrath. Viel zu oft kommt es zu Empfangsbeeinträchtigungen und Funklöchern", so Wolfgang Jöbges von der CDU.
Dies sei nicht nur ärgerlich beim privaten Gespräch, sondern auch ein handfester Nachteil für Wirtschaft und Gewerbetreibende.
Denn immer mehr Menschen verzichten ganz auf einen Festnetzanschluss oder sind darauf angewiesen, von unterwegs wichtige Gespräche führen zu können. Die CDU-Fraktion will sich deswegen für eine schnelle und deutliche Verbesserung der Mobilfunkversorgung einsetzen. Die Probleme sind hausgemacht, aber leicht lösbar. "Denn seit 2007 leistet sich Erkrath ein teures Mobilfunkkonzept, das den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Mobilfunkbetreiber investieren deshalb seit Jahren zu wenig oder gar nicht mehr in die Verbesserung des Netzes." Dabei sei es wissenschaftlich erwiesen, dass die Strahlenbelastung nicht niedriger, sondern höher wird, wenn nur wenige Mobilfunkmasten alle Handys mit Empfang versorgen müssen. Daher spricht die CDU sich dafür aus, das Mobilfunkkonzept nicht mehr anzuwenden. Eine Verbesserung des Mobilfunkempfangs hebt die Lebensqualität vor Ort und macht die Stadt attraktiver. "Angst vor Gesundheitsbeeinträchtigungen muss dabei niemand haben. Auch ohne das Mobilfunkkonzept existieren strenge Grenzwerte im Bundesimmissionsschutzgesetz, die von internationalen und nationalen Experten geprüft und von den Mobilfunkbetreibern eingehalten werden müssen", sagt Jöbges abschließend.

Das sagen die Grünen zum Thema:
Enttäuscht und verärgert sind Bündnis 90/Die Grünen sowie die zahlreich erschienen Bürger, die zur Sitzung des Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsförderungsausschusses (ASW) in der vergangenen Woche gekommen waren.
Mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP wurde beschlossen, das bestehende Erkrather Mobilfunkkonzept mit dem Ziel seiner Aufhebung in den Rat zu vertagen. Bündnis 90/Die Grünen und die Bürger plädieren dagegen für eine Aktualisierung und Fortentwicklung statt einer ersatzlosen Streichung.
2011 hatte der Rat der Stadt Erkrath — wie eine Reihe von anderen Kommunen quer durch die Bundesrepublik auch — das Mobilfunkkonzept beschlossen. Ziel des Konzeptes ist es, eine angemessene Mobilfunkversorgung in der Stadt sicherzustellen, gleichzeitig aber die damit verbundene elektromagnetische Strahlung zu minimieren. Wissenschaftliche Studien liefern Indizien dafür, dass Mobilfunkstrahlung negative gesundheitliche Auswirkungen haben kann und insbesondere für elektrosensible Menschen ein erhebliches Problem darstellt. Unmittelbarer Anlass für das Konzept waren seinerzeit Planungen der Mobilfunkunternehmen für zahlreiche neue Mobilfunkmasten und Sendeanlagen in Erkrath, etwa an der Grundschule in Millrath, in der oberen Willbeck und am Kaiserhof in Alt-Erkrath. Gegen diese Planungen hatte sich massiver Widerstand in der Bevölkerung formiert. Durch das seinerzeit aufgrund des öffentlichen Drucks nahezu einstimmig beschlossene Konzept konnten diese neuen Standorte bis heute verhindert werden.
Barbara Geiss-Kuchenbecker (Bündnis 90/Die Grünen): "Umso unverständlicher ist die Haltung der Ausschussmehrheit. Sollte der Rat das Konzept am 17. März tatsächlich aufheben, drohen zahlreiche neue Mobilfunkmasten in unserer Stadt. Ich appelliere an alle Ratsmitglieder, ihre Verantwortung für die Erkrather Bürger in doppelter Hinsicht wahrzunehmen — sowohl für den vorsorgenden Schutz der Gesundheit wie auch für eine angemessene Mobilfunkversorgung".
Bündnis 90/Die Grünen betonten, dass die Entscheidung über die Standorte von Mobilfunkmasten in die öffentliche Hand gehöre, um notfalls das Aufstellen von Masten durch private Mobilfunkbetreiber insbesondere an sensiblen Standorten wie etwa Kindergärten oder Schulen verhindern zu können. Diese Steuerung ist aber nach der Rechtssprechung nur durch ein Mobilfunkkonzept möglich!
In der Sitzung des ASW überreichten die Bürger über 90 Unterschriften gegen die Aufhebung des Mobilfunkkonzeptes, die innerhalb kürzester Zeit gesammelt worden waren. Die abschließende Entscheidung fällt nun in der Ratssitzung am 17. März (ab 17 Uhr, Stadthalle Erkrath).

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