Das Kriegsende in Hochdahl vor 70 Jahren

Hochdahl · Am 16. April 1945 ging für die Hochdahler Bevölkerung der 2. Weltkrieg zu Ende. Den dramatischen Ablauf dieses Tages hat Heinrich Schreur, der damalige Schulleiter der katholischen Volksschule Trills, in der Schulchronik festgehalten.

 Kriegsgräber auf dem Friedhof an der Neanderkirche.

Kriegsgräber auf dem Friedhof an der Neanderkirche.

Foto: Herbert Bander

Seine präzise Schilderung — durch einige Angaben in Klammern ergänzt - soll hier dem Leser, darunter sicherlich noch Zeitzeugen, vor Augen geführt werden. "Während Panzereinheiten der 9. US-Armee von Unterbach her nach Erkrath vorstoßen (wo die Deutschen am 12.04. noch die Autobahnbrücke gesprengt hatten!), kommen sie in Hochdahl aus Richtung Süden. Im frühen Morgengrauen schlägt die erste feindliche Granate in der Nähe von Gut Clef ein. Von 10.45 Uhr an feuern die vier um Trills stehenden Flakbatterien aus allen Rohren. Noch können deutsche Soldaten in Richtung Norden weiterziehen. Am Nachmittag verstärkt sich das Flakfeuer, aber auch die Einschläge (Scheune des Gutes Böllenschmied, Gemeindehaus Kempen). Im Obstgarten des Bauern Becker (heute Schulgelände Kempen) wird ein amerikanischer Panzer abgeschossen, zwei Insassen sterben. Gegen 19.00 Uhr nehmen vom Feld unterhalb des Friedhofes zwei Panzer und mehrere Spähwagen die Batterie bei Karschhausen (heute etwa Fußgängertunnel Rosenhof/Hochdahler Markt) unter Beschuss. Diese erwidert das Feuer. Das Kreuzen der Leuchtspurgeschosse ist deutlich zu sehen. Zwei junge Wehrmachtsangehörige sterben, den anderen gelingt die Flucht. Zur gleichen Zeit fahren einige Panzer nach Bruchhausen und bekämpfen die Batterie am Pimpelsberg (am Ende der Bruchhauser Straße an der A 3). (Anm. Dabei kommt die bis dahin ausharrende Besatzung um).Um 20,00 Uhr rücken die Panzer in Trills ein. Sie fahren dann weiter in Richtung Hochdahl. Deutsche Gefangene werden am Ortseingang gesammelt und in Richtung Hilden abgeführt."

Bis zuletzt also agierte im Umfeld von Trills die letzte militärische Heeresgruppe im Westen ("Ruhrkessel") unter Führung des Generalfeldmarschalls Model, der daraufhin Selbstmord verübte.

Die Bilanz war bitter: Neben den Gefallenen am Pimpelsberg gab es am 16.04. weitere Tote. Zuerst kamen am Kemperdick zwei Soldaten (aus Ostdeutschland!) um und auf der Hauptstraße erlitt ein Mann durch Granatsplitter tödliche Verletzungen. Am 17.04. starb der 16-jährige Peter W., als er auf dem Feldhof beim Durchmarsch der Militärkolonnen auf der Neanderhöhe (Feldhof) panikartig die Flucht ergriff und von einer Gewehrkugel tödlich getroffen wurde.

Direkt nach Kriegsende organisierte der kath. Pfarrer von Trills, Karl Faßbender, eine Gruppe von Männer zu einer Art Hilfspolizei. Sie trat marodierenden ehemaligen Kriegsgefangenen entgegen, die vorwiegend aus Rußland (Ukraine) und Polen stammten. Diese waren meist in Sammelstellen untergebracht (u.a. Gaststätte Püttbach) und wurden zum Arbeitseinsatz den hiesigen Bauernhöfen und der Reichsbahn zugewiesen. Trotz allem konnte nicht verhindert werden, dass bei einem solchen nächtlichen Überfall die Bäuerin Theresia Becker vom Hof Kempen schwer getroffen wurde. Sie erlag wenigen Wochen später im Krankenhaus ihren Verletzungen. Und noch einen Monat nach Kriegsende wurde ein Bürger nachts in seiner Wohnung oberhalb von Gut Schlickum von Russen durch Kopfschuß getötet.

Wie durch ein Wunder war Trills bei dem Flugzeugabsturz am 16.11.1944 ohne größere Schäden davongekommen. Dafür gab es nach Kriegsende noch viel Leid: Auf der Unterbacher Straße starb ein junges Mädchen durch eine unbedacht weggeworfene Handgranate. In der Sandheide (Eickert) verlor ein neunjähriger Junge beim Hantieren mit Eierhandgranaten sein Leben. Des Weiteren verlor ein Schuljunge beim leichtsinnigen Umgang mit Munition ein Auge, ein anderer ein Bein. Zeugnisse des Krieges, darunter die Hinterlassenschaften der Flakstellungen und der Verbindungsgraben am Kattendahl, waren noch lange zu sehen.

Fünf Tote vom Pimpelsberg, ein Gefallener von Kemperdick und der tödlich getroffene Zivilist aus Hochdahl haben auf dem Neanderfriedhof ihre letzte Ruhestätte in Doppelgräbern und einem Einzelgrab gefunden. In unmittelbarer Nähe lenkt ein in den 1930er Jahren in Bruchhausen gefundener Findling mit einer schlichten Gedenktafel den Blick auf sich, womit an die Gefallenen beider Weltkriege erinnert wird. von Herbert Bander

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