Erkrather entdeckt Düsseldorfs sinnliche Künste

Erkrath · (LuMa). Während wir bewusst Museen und Galerien besuchen, um Kunst zu bewundern, gehen wir tagtäglich an vielen Kunstwerken vorbei, ohne sie zu beachten — oftmals sogar, ohne sie überhaupt wahrzunehmen.

 Manfred Bicker hat sich mit dem Fotoapparat auf die Suche nach Düsseldorfs sinnlichen Kunstobjekte begeben.

Manfred Bicker hat sich mit dem Fotoapparat auf die Suche nach Düsseldorfs sinnlichen Kunstobjekte begeben.

Foto: Lutz Mackenstedt

So ging es auch Manfred Bicker.

Viele Objekte und Skulpturen, die er in seiner Fotodokumentation "Sinnliche Kunstobjekte im Stadtbild von Düsseldorf (Bilder, Geschichten und Hintergründe)" zeigt, hat er erst auf den zweiten Blick bewusst wahrgenommen.

Obwohl Manfred Bicker in Düsseldorf geboren wurde, entdeckt der heute in Erkrath lebende Hobbyfotograf seine Heimatstadt und deren Umgebung erst jetzt richtig kennen. "Plötzlich bemerke ich Dinge in meiner Umgebung, die ich bisher nicht oder kaum zur Kenntnis genommen habe. Das finde ich sehr spannend", so Bicker. "In Düsseldorf stieß ich immer wieder auf besondere Skulpturen an Denkmälern, Gebäudefassaden, in Parks und sogar auf Friedhöfen mit einer sinnlichen — ja oft erotischen — Ausstrahlung", erklärt er den Hintergrund zu seinem 336 Seiten umfassenden Bildband: "Vieles kannte und wusste ich nicht und musste mir die Geschichte der Kunstwerke und ihrer Schöpfer erst erarbeiten." Mit viel Engagement hat er sich anderthalb Jahre mit Düsseldorfs Kunst beschäftigt. Einen kommerziellen Zweck verfolgt er mit seiner Arbeit nicht.

Bickers Spurensuche beginnt am Museum Kunstpalast im Ehrenhof mit der 1924 von Arno Breker geschaffenen "Aurora" und führt den Leser von dort durch Düsseldorfs Vielfalt bildhauerischer Arbeiten, die nicht nur künstlerisch, sondern auch historisch Zeitzeugnisse der Geschichte geben. Nicht immer folgt er dabei seinem Thema "Sinnlichkeit", auch Werke von Josef Beuys und Günther Uecker oder das "Stadterhebungsmonument" von Bert Gerresheim findet man in seiner Dokumentation. Dabei spart der Autor nicht mit seiner Meinung und regt so manches Mal zum Schmunzeln an. Bickers sehr persönliche Herangehensweise ist es aber gerade, die den Reiz seines Buches ausmacht.

Sehr bewegt hat ihn bei seinen Recherchen ein trauriges Kapitel der deutschen (Kunst)geschichte: "Bei der Beschäftigung mit Düsseldorfs 'Denkmälern' kommt man zwangsläufig in Berührung mit der NS-Vergangenheit unseres Landes", hat der heute 77-Jährige immer wieder erfahren müssen. Auf seinen Fototouren ist er auf zahlreiche Skulpturen gestoßen, die nur durch glückliche Umstände oder geschicktes Taktieren von Kunstkennern nicht dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer gefallen sind, beispielsweise die "Wasserträgerin" von Bernhard Sopher, dem als Nichtarier die Ausübung seines Berufs als Künstler untersagt war. Obwohl die "Wasserträgerin" von den Nazis als "entartete Kunst" deklariert und im Krieg als Metallspende eingeschmolzen werden sollte, ist sie heute noch in der kleinen Parkanlage an den Rheinterrassen zu bewundern. Zwei weitere Bronzen von Sopher hatten weniger Glück und wurden zerstört. "Nur die leeren Sockel vor dem Kunstpalast erinnern 'Eingeweihte' noch daran", bedauert Bicker.

Und auch seine eigene Geschichte findet sich in Manfred Bickers Bildband wieder: "Ehra, das Mädchen mit dem Ball" ist eine Plastik von Otto Pankok, die an ein Sinti-Kind erinnert, das Anfang der 1940er Jahre zusammen mit mehr als 900 weiteren Sinti in einem Internierungslager am Höherweg in Lierenfeld unter unmenschlichen Bedingungen leben musste. Nicht weit von diesem Lager entfernt ist Bicker aufgewachsen. "In Sichtweite des Lagers hatten wir Kinder unseren Bolzplatz. Zigeunerkinder — wie man damals noch sagte — spielten dort nicht mit", sagt er bedrückt: "Wir machten uns darüber auch keine Gedanken, denn wir waren dafür wohl noch zu klein." Dennoch: "Die persönliche Betroffenheit bleibt", sagt Bicker und fragt sich, was seine Eltern wohl wussten. Eine Frage, die offen bleiben wird — nicht so die Frage, mit was er sich künftig beschäftigen wird: Ein Thema für seine nächste Fotodokumentation hat er auf seiner Tour durch Düsseldorf schon gefunden...

Hintergrund:
Der Bildband "Sinnliche Kunstobjekte im Stadtbild von Düsseldorf (Bilder, Geschichten und Hintergründe)" von Manfred Bicker ist unter der ISBN-Nummer 978-3-86460-789-9 auf www.books-on-demand.de zum Preis von 89 Euro erhältlich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort