1. Die Stadt

Dieter Kremerius: Austritt aus der SPD

Dieter Kremerius: Austritt aus der SPD

Dieter (Timo) Kremerius teilt in einem Offenen Brief seinen Austritt aus der Erkrather SPD mit. Kremerius, der bereits 1976 Mitglied der Partei war, fehlte zuletzt das soziale und demokratische Verständnis innerhalb der eigenen Parteireihen.

Im folgenden nun der genaue Wortlaut seines Offenen Briefes an seine Parteigenossen.

"40 Jahre in einer Partei zu sein ist für mich eine lange Zeit. Wie pflegte mein ehemaliger Chef zu sagen "Ein Nichts im Meer der Zeit, aber eine Ewigkeit für einen einzelnen Menschen".

Am 1. November 1976 bin ich in die SPD eingetreten. Nun ist es an der Zeit Adieu zu sagen, denn diese Partei und sehr viele Mitglieder dieser Partei vermitteln mir den Eindruck, dass sie überhaupt nicht wissen oder begreifen, was sozial und demokratisch ist. Die Grundfesten dieser Partei sind eh schon abmontiert worden.

Ich werde mich ab dem 1. November 2016, eigentlich der Beginn meines 41. SPD Jahres, dem größeren Bereich der SPD anschließen, dem Mitgliederschwund.

Gründe dafür sind auf Bundesebene, dass die Bürger und auch die Parteibasis unter anderem mit CETA und TTIP über den Tisch gezogen werden und die Große Koalition der SPD jede Identifikation gestohlen hat. Diese SPD hat nichts mehr mit der SPD zu schaffen, die ich 1976 kennen und schätzen gelernt habe. Auf Bundesebene finden wir überwiegend nur noch selbstgefällige, selbstverliebte Opportunisten.

Diese finden wir auch auf Landesebene in Form von Politiker/Innen, die nichts auf die Reihe bekommen und den Eindruck vermitteln, dass sie den Begriff zielorientiert noch nie gehört haben.

Für mich, viel schlimmer, ist die Situation auf Ortsvereinsebene. Hier finden wir zwei unterschiedliche Gruppen. Eine, die immer wieder dieselben Personen für Wahlen aufstellen, auch wieder für die Bürgermeisterwahl jemanden aufstellten, der schon mehrmals Schiffbruch erlitten hatte, obwohl eine aussichtsreiche Alternative zur Verfügung stand, oder seit Jahren immer die gleichen Personen für Posten in den Ausschüssen und Stadtteilen aufstellen und wählen . So kann sich nichts bewegen, so merkt man, dass nicht die Bevölkerung, ja nicht mal die Wähler wichtig sind, sondern nur die eigene Auszeichnung.

Die andere Gruppe sind die Frustrierten, die sich nicht mehr vergebens einbringen wollen oder die, die fassungslos über das konsequente Rühren im eigenen Süppchen sind und ihre Konsequenzen ziehen. Das nenne ich Beratungs- und Begriffsresistenz. Diese Personen beziehungsweise Gruppen sind ursächlich für meinen Austritt verantwortlich.

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Ich möchte es mit Menschen zu tun haben, die innovativ sind, zielorientiert Sachen anpacken und umsetzen. Dazu kommt der Eindruck, den mir einige Mitglieder der Partei vermittelt haben, dass sie lieber - wie in den letzten 40 Jahren - unter sich bleiben wollen. Hinter den Kulissen, begleitet von einigen bestimmten Personen, spielt man mit seinem Grüppchen in einem separaten Eckchen und versucht jedes "Mitspielen" gruppenfremder Genossen zu verhindern, indem nur hinter dem Rücken der nicht zur Gruppe gehörenden "Genossen" oder nur mit für diese Genossen verdeckten Karten gespielt wird. Politik wird damit nicht für die Sache, sondern lediglich für den Erhalt eines kleinen Kreises gemacht.

Hier kann man auch Parallelen in der Landes- und Bundespolitik finden. Ein Verhalten wie das kleiner Kinder, weitab von verantwortungsbewusster Parteiarbeit für die Menschen.

Ausschlaggebend war auch das opportunistische Schmierentheater einiger "Genossen" Erkraths, allerdings sehr schlechter Amateure, die mich mit Unterstellung von Unwahrheiten, dreisten Lügen, aus dem Ausschuss AKS gewählt haben.

Es liegt mir fern, der Partei, wie sie sich jetzt gestaltet, irgendetwas Gutes zu wünschen. Ich fordere sie nur dazu auf, endlich wieder zur sozialdemokratischen Politik zurückzukehren und —finden, wie es bei Ihrer Gründung 27. Mai 1875, in Gotha angedacht war und Willy Brand vorgelebt hat. In Ihrem jetzigen Zustand ist die SPD für mich nicht wählbar und ich werde sie bei dieser Entwicklung auf längere Zeit wohl auch nicht mehr wählen. Alles in allem brauche ich von Menschen Ihrer Art keinen Einzigen.

Dazu fällt mir ein Gedicht von Theobald Tiger (Kurt Tucholsky) ein (zumal es zwischen Basis und "obere Etage" differenziert):

An einen Bonzen

Einmal waren wir beide gleich.
Beide: Proleten im deutschen Kaiserreich.
Beide in derselben Luft,
beide in gleicher verschwitzter Kluft;

dieselbe Werkstatt — derselbe Lohn —
derselbe Meister — dieselbe Fron —
beide dasselbe elende Küchenloch ...
Genosse, erinnerst du dich noch?

Aber du, Genosse, warst flinker als ich.
Dich drehen — das konntest du meisterlich.
Wir mussten leiden, ohne zu klagen,
aber du — du konntest es sagen.
Kanntest die Bücher und die Broschüren,
wusstest besser die Feder zu führen.
Treue um Treue — wir glaubten dir doch!
Genosse, erinnerst du dich noch?

Heute ist das alles vergangen.
Man kann nur durchs Vorzimmer zu dir gelangen.
Du rauchst nach Tisch die dicken Zigarren,
du lachst über Straßenhetzer und Narren.
Weißt nichts mehr von alten Kameraden,
wirst aber überall eingeladen.
Du zuckst die Achseln beim Hennessy
und vertrittst die deutsche Sozialdemokratie.
Du hast mit der Welt deinen Frieden gemacht.

Hörst du nicht manchmal in dunkler Nacht
eine leise Stimme, die mahnend spricht:
“Genosse, schämst du dich nicht —?„

Theobald Tiger Die Weltbühne, 06.09.1923, Nr. 36, S. 248,
wieder in: Mit 5 PS, auch u.d.T. “An die Bonzen„."